Montag, 11. September 2017

Kassel: documenta 14 - Wo alles begann

Am Wochenende stand die documenta 14 in Nordhessen auf dem Programm. Flashback.

Es begab sich zu der Zeit als ich in der Oberstufe war und als Leistungsfach u.a. Kunst gewählt hatte (Wer Kunst und, wie ich, eine Fremdsprache gewählt hatte, durfte die Physik nicht abwählen, musste in einem naturwissenschaftlichen Fach schriftlich - in meinem Fall in Mathematik - und in Wirtschaft mündliches Abitur ablegen. Weil sich das einige Schulkameraden nicht zutrauten, haben sie dann auch keinen Kunst Leistungskurs genommen - ich hatte mir das aber zugetraut und Recht behalten. 😊), als wir mit diesem Kunst Leistungskurs, zusammen mit unserem Leiter, in eine Stadt aufbrachen, von der ich vorher noch nie etwas gehört hatte: Kassel, um dort die documenta 11, eine riesengroße Kunstausstellung anzusehen, die über die ganze Stadt verteilt war und vor allem zeitgenössische Kunst beinhaltete. (Das ist jetzt 15 Jahr her btw., seitdem habe ich noch drei weitere documentas gesehen, aber ich sehe selbstverständlich immer noch so aus, als sei ich Oberstufenschülerin 😉.) An die Ausstellung selbst erinnere ich mich gar nicht mehr richtig, irgendetwas war in der Karlsaue auf der großen Wiese aufgebaut, aber was - keine Ahnung? Aber es war ein schöner Ausflug mit dem Kurs, das ist mir wohl in Erinnerung geblieben.

Etwa eineinviertel Jahre später verschlug es mich als Studentin zurück in ebendiese Stadt, hatte ich doch dort an der Universität/Kunsthochschule, die wunderschön mitten in der Karlsaue gelegen ist, die Aufnahmeprüfung bestanden und war damit in der glücklichen Lage, direkt nach dem Abitur (alle meine Kommilitonen hatten wenigstens ein Jahr verstreichen lassen, sei es, um den Wehrdienst/Zivieldienst abzuleisten oder um eine Mappe vorzubereiten, die eingereicht werden musste, um überhaupt zur Aufnahmeprüfung zugelassen zu werden) ein Produktdesignstudium anfangen zu können, was scheinbar kaum einer (außer mir selbst) für möglich gehalten hatte (beim Arbeitsamt riet man mir, mind. einen Plan B, wenn nicht gleich auch noch einen Plan C zu haben, falls alle Stricken rissen, weshalb ich mich für einen Studienplatz der Pharmazie in Greifswald und einen für Architektur in Siegen einschrieb, die ich beide bekam, und darüber hinaus noch den bayerischen Beamtentest bestand und hätte eine Stelle beim Finanzamt in München antreten können...). Es war eine gute Studienzeit, ziemlich arbeitsam, geprägt von Modellbau, Arbeit am Rechner, zeichnen, malen und vor allem aufs Ende hin viel systemischer Arbeit. Gewundert habe ich mich immer, wie das die Kommilitonen so hinbekamen: tagsüber schlafen (wahlweise für Geld arbeiten), abends fürs Studium arbeiten (oder umgekehrt), nachts feiern. Die Antwort ist recht einfach, wenn man bedenkt, dass, bis auf eine Kommilitonin, die etwas früher dran war, alle anderen Kommilitonen, ihren Abschluss nicht innerhalb der Regelstudienzeit bekamen. Dass ich nie wirklich arbeiten musste, um meine Miete bezahlen zu können, dafür bin ich meinen Eltern sehr dankbar, wenn ich doch auch immer das Gefühl hatte, am Limit zu leben (aber vermutlich war das wirklich nur ein Gefühl und entsprach nicht den Tatsachen 😊). Zur documenta 12 empfing ich meinen ehemaligen Kunstlehrer (und Leiter des damaligen Leistungskurses) in Kassel als er sie sich ansah - abends gingen wir zusammen eine Pizza essen. Ob ich sie selbst überhaupt so richtig gesehen habe (die Exponate, die draußen standen sicher, aber beim Rest weiß ich's nicht mehr so genau), kann ich heute nicht mehr mit Bestimmtheit sagen.

Nach sechs Jahren (neun Semester Regelstudienzeit plus ein Semester Praktikum bei der Unternehmensberatung Z_Punkt in Karlsruhe), mit dem Diplom gerade in der Tasche (die Verteidigung fand erst statt, als ich schon umgezogen war), verschlug es mich dann auf die Schwäbische Ostalb, wo ich im dualen System - angestellt Arbeiten und Studieren im vierteljährlichen Wechsel - meinen zweiten Studienabschluss, den Bachelor of Arts in Betriebswirtschaft erwarb. Der documenta bin ich allerdings treu geblieben. Um die documenta 13 zu sehen, fuhr ich 2012, während ich gerade an der Bachelorarbeit arbeitete nach Kassel, um sie mir mit einem Bekannten und einem ehemaligen Mitschüler aus dem Leistungskurs zusammen anzuschauen.

Dieses Jahr also documenta 14 und wieder Kassel (seit fünf Jahren war ich nicht mehr hier). Kassel ist keine wunderschöne Stadt, aber sie hat durchaus schöne Ecken und interessante Sehenswürdigkeiten anzubieten. Der vordere Westen ist wunderbar zum Wohnen, vor allem wenn man eine der tollen Altbauwohnung dort ergattert, ein Blick vom Weinberg über die Stadt belohnt für die optischen Unzulänglichkeiten, die man an manch anderer Stelle in der Stadt erdulden muss und der Bergpark  Wilhelmshöhe unter dem Herkulesdenkmal ist es absolut wert, gesehen und erklommen zu werden.

Nach meiner Anreise bereits am Freitagabend, machten wir uns am Samstag, nachdem wir ausgiebig ausgeschlafen hatten, zu Fuß zur Neuen Galerie auf, die unsere erste Station sein sollte, an der es Kunst zu sehen gab. Nach einer Stunde Warten (jetzt aufs Ende der Ausstellung hin, wollen scheinbar alle "nochmal schnell" hingehen, daher ist der Andrang etwas größer) ging es endlich los und ich war, das muss ich ehrlich zugeben, von so einigem ziemlich enttäuscht. Kunst ist sicherlich für jeden etwas anderes und häufig ist der Entstehungsprozess dahinter das, was das Kunstwerk ausmacht, aber in diesem Teil der Ausstellung ging es mir zu sehr um Vergangenheitsbewältigung und zu wenig darum, Dinge zu erschaffen, die auch auf Außenstehende wirken können. Im Anschluss gab es erst einmal ein Wasser und einen Döner von der Dönerbude, in der wir auch zu Studienzeiten gerne aßen bevor wir uns an den Friedrichsplatz aufmachten, wo mich ein Tempel aus verbotenen Büchern tatsächlich beeindruckte. Auch viele Exponate in der documenta Halle werde ich in Erinnerung behalten, z.B. das 20m lange, frei Hand gestickte Bild einer Frau vom Stamm der Samen, das ein Dorf im Aufbruch zeigt.


Im Anschluss daran wartete das Palais Bellevue erneut mit wenigen Werken auf, die im Gedächtnis bleiben (außer vielleicht der Film, der eine Freu zeigte, die vor einem Leopard-Panzer davon lief - Geschmacksache, aber eindrücklich). Zu guter Letzt betrachteten wir noch die Werke von Tom Seidmann-Freud, einer Kinderbuchillustratorin des frühen 19. Jahrhunderts in der Grimm Welt hoch über der mittlerweile beleuchteten Stadt.



















Nach einem Abendessen, etwas Unterhaltung und einem Feierabendbier mit POLICE fielen wir geschafft ins Bett, um am nächsten Tag für eine Rennradrunde wieder aufzustehen. Mit ganz vielen nostalgischen Gefühlen fuhr ich die alten Strecken und stellte mit Erstaunen fest, dass ich sie wesentlich bergiger und steiler in Erinnerung hatte. Nach dem Radeln beim Dehnen im Garten entdeckten wir einen Igel, der unglaublich steif und mit offensichtlichen Atemproblemen unter dem Gartentisch herumstakste und auch nicht vor uns davon lief. Da er den Eindruck machte, als ob er sich anschickte, demnächst auf der Terrasse zu verenden und wir das auf keinen Fall wollten, fand ich mit Hilfe mehrerer Telefonate heraus, an welche Stellen man sich in Kassel wenden kann, wenn man einen Igel mit Atemproblemen unter dem Gartentisch sitzen hat (dem mittlerweile beim Atmen Blasen aus dem Schnäuzchen kamen und Schaum vor dem Mund stand). Leider blieb der Tierarztpraxis, zu der wir den Igel letztlich brachten nicht mehr, als festzustellen, dass der Igel die in letzter Zeit immer mehr üblichen Lungenwürmer hat (weil Igel, aufgrund der Insektenknappheit, immer öfter Würmer und Schnecken fressen, die Zwischenwirte für die Lungenwürmer sind und diese dann an den Igel übertragen) und es deshalb keine oder nur sehr aufwändige und nicht zwangsläufig erfolgreiche andere Möglichkeit mehr gibt, ihn von seinem Leiden zu erlösen als ihn einzuschläfern. 😢

Auf dem Heimweg packten wir uns einen Becher Eis (also JEDER einen 😀) ein (für mich den obligatorischen "Amarenabecher", der mein Lieblingseisbecher ist und den ich schon in den unterschiedlichsten Eisdielen getestet habe: diesmal hat die Eisdiele mal wieder bestanden 😊), tranken zu hause noch einen Kaffee (für mich eher Milch mit Kaffee) dazu und danach machte ich mich wieder auf ins Frankenland.



Diesmal lief die Heimfahrt nicht ganz so glatt. Abgelenkt von einem Telefonat und weil das Navi, aufgrund der offensichtlich neuen Straßen, die es noch nicht kannte, ebenfalls verwirrt war, fahr ich zwischendrin mal 15 Min im Kreis, bevor ich die richtige Autobahn in Richtung Erfurt anfahren konnte. Ein kurzer Zwischenstop bei der "Goldenen Möwe" half dabei, dass ich auf dem Heimweg nicht verhungerte und zuhause sogar noch genau Energie hatte, um erst den Trolley auszuräumen und im Anschluss das Paket meines Lieblingsversenders auszupacken und den Inhalt gesamthaft Probe zu tragen (also alle Teile nacheinander natürlich...). Ein gelungenes Wochenende. 😊

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